Häng Dich Ein! Hang On Top!

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Bildquelle mit freundlicher Genehmigung / Image Source with kind permission: "The school of scandal"-Company
 
 

„Über das Marionettentheater“ ist ein philosophischer Essay von Heinrich von Kleist, der in den „Berliner Abendblättern“ 1810 das erste Mal veröffentlicht wurde.

In dieser Erzählung diskutiert Kleist eine Begegnung mit einem Meisterpuppenspieler und vertieft sich in die Idee, dass Puppen - frei von den Tücken des Bewusstseins - eine Ebene der Schönheit erreichen können, die für Menschen praktisch unerreichbar ist. Bereits der Anblick einer Marionette, deren einfache Bewegungen sich dadurch auszeichnen, ohne Anstrengung und aufgesetzter Geste auszukommen, berührt das Herz des Zuschauers und schenkt ihm die Erinnerung an seine natürliche Eleganz und Unschuld wieder.

Kleist kommt zu dem Schluss, dass der Weg zurück zu dieser Anmut darin liege, Kunst und Natur gleichermaßen zu integrieren.

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Das Buch offenbart, dass die Marionette, ganz im Gegensatz zum Menschen, dessen freier Wille sogar Irrwege, unökonomische Bewegungen und eigens verursachte Einschränkungen hervorbringt, „ihrer“ Natur treu bleibt. Sie ist naturnah, weil ihre an den Fäden aufgehängten Holzglieder einfach den physikalischen Gesetzen folgen - während der Mensch kraft seines Willens, Wollens und Strebens permanent störend in die natürliche Ordnung aller Dinge eingreift. Der Charme des Ursprünglichen rührt daher, dass jede Bewegung in ihrem Schwerpunkt bleibt, die Glieder voneinander entkoppelt sind und je nach Pendelwirkung und Schwerkraft aufeinander reagieren können, ohne durch Gewohnheit ineinander überzugreifen und alles zu verwischen. Die Klarheit, die dadurch entsteht, hat etwas Urtümliches an sich und lässt niemanden unberührt.

Die Marionette steht jedoch auch für ein hohes Maß an Künstlichkeit, da sie von menschlicher Hand erschaffen und manipuliert wird (manus, pl. mani, lat. Hand, pl. Hände). Ihre Bewegungen, obwohl durch die Physik bestimmt, sind Ergebnis menschlicher Intention und Kunstfertigkeit. In diesem Sinne ist die Marionette ein Produkt menschlicher Kultur und Technik, das dazu dienen kann, den Menschen auf seine ursprüngliche Unschuld zurück zu verweisen.

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In Erweiterung von Kleists Überlegungen steht die Frage, wie wir unsere menschengemachten Beschränkungen und Probleme überwinden können, indem wir uns eine Marionette zum Vorbild nehmen: Sie verkörpert eine Form der Reinheit und Unmittelbarkeit, die unsere menschlichen Handlungen oft schmerzlich vermissen lassen. Gerade ihre absichtslose Existenz und ihre direkte Unterwerfung unter das Pendelgesetz und das Gesetz der Schwerkraft führt uns ihre Naturnähe vor Augen. In ihrer selbstverständlichen Einfügung in die inhärente Ordnung der Welt entwirft sie ein starkes Gegenbild zum menschlichen Streben, welches häufig vom Egobewusstsein vorangetrieben und durch kulturelle Zwänge beeinflusst und gemaßregelt wird.

Die Marionette dient insofern als Metapher für die Idee, dass wahre Anmut und Schönheit nur dann erreicht werden, wenn wir die vielschichtige Interaktion zwischen Natur, Künstlichkeit und Intention erkennen und anerkennen. Der Widerspruch, dass die Marionette sowohl der Natur als auch der Kunst nahe steht, zeigt, wie wichtig hier ein weiteres Thema ist: Die Verantwortung des Künstlers, der die Puppe baut und so auf der Bühne auftreten lässt, dass sie ihrem Charakter und der Gesamthandlung gerecht wird. Der kompetente „Fädenzieher“ bleibt im Hintergrund, um den Zauber der Perfektion in der Übereinstimmung aller Teile mit dem großen Ganzen bestmöglich zu entfachen.

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Was geschieht, wenn wir uns als Menschen freiwillig „oben einhängen“, im Vertrauen auf die höhere Führung und die integere Absicht desjenigen, der uns hier auf der Bühne aufrecht hält? Bedeutet diese Einbindung, dass wir unseren freien Willen aufgeben? Ist es möglich, zwischen der Hingabe an die ordnende Kraft und der Eigeninitiative zu wechseln, den Schalter je nach Situation umzulegen? Können sich beide Zustände immer mehr durchdringen, so dass jeder Fehler zu einer Kurskorrektur wird und in der Einheit mündet, in der sogar unser freier Wille göttlich geführt ist?

Eins ist sicher: Wenn wir als Menschen dem ursprünglichen Sein wirklich nahe sein wollen - jenseits von Schnörkel und Gehabe - braucht es den bewussten Akt der Rückanbindung an die Quelle und des Einverständnisses, sich selbst „oben“ einzuhängen: „Ich übergebe mich der göttlichen Führung und höre auf meine innere Stimme!“ So oder ähnlich könnte die Erlaubnis lauten. Manche sagen: „Dein Wille geschehe!“, „Lass es geschehen“ oder „Es bewegt mich“.

So gewinnen wir Abstand zu ggf. fixen Identifikationen mit eingeübten Bewegungsmustern unseres Körpers und können als Zeuge, mit etwas Abstand betrachtet, Leben natürlich geschehen lassen. Gerade indem wir uns „vom Himmel“ führen lassen, erfahren wir die Früchte des Vertrauens. Wir erfahren, dass das große Ganze es besser weiß, als wir es uns je ausdenken könnten. Die Anbindung an die natürliche Ordnung aller Dinge macht keinen Fehler und bringt uns Schritt für Schritt sicher ans Ziel!

Der Weg zurück zur Ganzheit mündet im Sein auf höherer Bewusstseinsstufe. Wenn Du Dich von der Abhandlung „Über das Marionettentheater“ und meiner Interpretation inspirieren lässt, kannst Du in Theorie und Praxis oben und unten verbinden und Deinen Kreis schließen.

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Wie kann Dir dieses Wissen konkret helfen? Was kannst Du selbst zur Umsetzung beitragen?
Ich gebe Dir hier ein paar konkrete Anwendungsmöglichkeiten, die Du bis zum nächsten Blog,“ Josies Blog #2“ ausprobieren kannst:

  • Sei Dir bewusst, dass diese grundlegende Haltung, Dich von oben führen zu lassen, nicht bedeutet, dass Du in Deinem Kopf bist! Nur weil Du den Gedanken zunächst zu denken scheinst, heißt das nicht, dass Du dort feststeckst. Der „Hänge-Mechanismus“ befindet sich weit oberhalb des Kopfes, und der innere Ruf für diese Hingabe ging diesem Gedanken voraus. Der Kopf kann sogar sein Gewicht loslassen, während sich diese Grundhaltung als geistiges Bewusstsein ausbreitet und als Gefühl durch den ganzen Körper vertieft. Kehre immer wieder zu dieser Grundhaltung zurück, Deinem Willen, Dich dem Ruf hinzugeben, und lass dann einfach los. Integriere diese Sätze in Dein tägliches Leben, lass sie in deine Routine einfließen und sieh, wie es sich anfühlt. Was verändert sich bei Dir?

  • Ich formuliere es am liebsten so: „ICH BIN die Kraft, die mich bewegt!“, Ersetze das Wort „Kraft“ durch andere positive Wörter, wie z.B. „Anmut“, „Liebe“, „Reinheit“, „Natürlichkeit“, „Mut“, „Vertrauen“ usw. Achte darauf, möglichst keine Wörter zu benutzen, die Dein Unterbewusstsein an das Gegenteil erinnern: „Unschuld“ zum Beispiel enthält den Begriff der „Schuld“. Besser sind direkte Formulierungen ohne Verneinung.

  • Allgemein kannst Du auch diesen Satz verwenden: „Ich bin verbunden mit der natürlichen Ordnung“, „Ich bin Teil des Kosmos“, „Ich bin in Gott, Gott ist in mir“ oder was sich für Dich im Moment stimmig anfühlt. (*griechisch κόσμος kósmos ‚Ordnung‘, ‚Weltordnung‘, auch ‚Schmuck‘, ‚Glanz‘, ‚Ehre‘)

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"On the Marionette Theatre" is a philosophical essay by Heinrich von Kleist, first published in the "Berliner Abendblätter" in 1810.

In this narrative, Kleist discusses an encounter with a master puppeteer and delves into the idea that puppets, free from the pitfalls of consciousness, are capable of reaching a level of beauty practically unattainable for humans. Merely the sight of a marionette, whose simple movements are distinguished by their effortless and unpretentious nature, can deeply touch the heart of the viewer and restore to them the memory of their natural elegance and innocence.

Kleist concludes that the way back to this grace lies in equally integrating art and nature.

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The book reveals that the marionette, in stark contrast to humans, whose free will can lead to misguided paths, uneconomical movements, and self-imposed restrictions, remains true to "its" nature. It is close to nature because its wooden limbs suspended on strings simply follow the laws of physics - while humans, by virtue of their will, desires, and aspirations, constantly interfere disruptively in the natural order of all things. The charm of the original comes from every movement staying centered, the limbs being decoupled from one another, and able to react to each other according to the pendulum effect and gravity without habits blurring everything together. The clarity that results has a primordial quality to it that leaves no one indifferent.

However, the marionette also represents a high degree of artificiality, as it is created and manipulated by human hands (manus, pl. mani, Lat. hand, pl. hands). Its movements, although determined by physics, are the result of human intention and skill. In this sense, the marionette is a product of human culture and technology, serving to remind humans of their original innocence.

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Expanding on Kleist's thoughts, the question arises of how we can overcome our man-made limitations and problems by taking a marionette as a model: It embodies a form of purity and immediacy that our human actions often painfully lack. Its purposeless existence and direct subjection to the laws of the pendulum and gravity bring us closer to nature. Its effortless integration into the inherent order of the world presents a strong contrast to human striving, often driven by ego consciousness and shaped and regulated by cultural constraints.

The marionette serves as a metaphor for the idea that true grace and beauty can only be achieved when we recognize and acknowledge the sophisticated interaction between nature, artificiality, and intention. The contradiction that the marionette is close to both nature and art highlights the importance of another theme: The responsibility of the artist, who builds the puppet and allows it to perform on stage in a way that is true to its character and the overall action. The competent "puppeteer" stays in the background to best evoke the magic of perfection in the alignment of all parts with the greater whole.

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What happens when we, as humans, voluntarily 'hook ourselves up' at the top, choose to align ourselves with a higher guidance, trusting in the integrity of the one who keeps us upright on this stage? Does this engagement mean that we are giving up our free will? Is it possible to switch between the mode of surrender to the all-ordering power and that of self-initiative? Can these states increasingly permeate each other so that every mistake becomes a course correction, culminating in unity where even our free will is divinely guided?

One thing is certain: If we as humans really want to be close to the original being - beyond frills and affectation - it requires the conscious act of reconnecting to the source and agreeing to "hang ourselves up top": "I surrender to divine guidance and listen to my inner voice!" Or similarly, some say: "Thy will be done!", “Let it happen" or "It moves me."

This allows us to distance ourselves from possibly fixed identifications with learned movement patterns of our body and to let life happen naturally, observed from a bit of distance. Just by letting ourselves be guided "from heaven“, we experience the fruits of trust. We learn that the greater whole knows better than we could ever conceive. Connecting to the natural order of all things makes no mistake and leads us step by step safely to our goal!

The way back to wholeness culminates in being at a higher level of consciousness. If you let "On the Marionette Theatre" and my interpretation inspire you, it can help you to close your circle, connecting above and below within you - first mentally and then also in every movement of your life.

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How can this knowledge concretely help you? What can you contribute to its implementation?
Here are a few applications that you can try out until the next blog, "Josie's Blog #2":

  • Be aware that this fundamental attitude of allowing yourself to be led from above does not mean that you are  in your head! Just because you seem to think the thought in the first place does not mean you are stuck there. The "hanging mechanism" is located well above the head and besides there might be an inner call to your heart for this surrender that preceded that thought. The head can even let go of its weight as this basic attitude spreads as a mental awareness and deepens as a feeling throughout the body. Keep returning to this basic attitude, your will to surrender to the call, and then just let go. Incorporate these sentences into your daily life, let them flow into your routine and see how it feels. What changes for you?

  • I prefer to phrase it as: "I AM the power that moves me!" Replace the word "power" with other positive words, such as "grace," "love," "purity," "naturalness," "courage," "trust," etc. Be careful not to use words that remind your subconscious of the opposite: for example, "innocence" contains the term "nocence" which means "guilt." Direct formulations without negation are better.

  • In general, you can also use this sentence: "I am connected with the natural order," "I am part of the cosmos," "I am in God, God is in me," or whatever feels right for you at the moment. (*Greek κόσμος kósmos 'order', 'world order', also 'decoration', 'glory', 'honor')

 
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